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Supply chain

KI-basierte Simulation für Automotive Supply Chains: Präzise Prognosen trotz hoher Variantenvielfalt

06/24

Wer heute ein Fahrzeug kauft, hat gerne die Auswahl. Mit der Anzahl der Bestelloptionen wird die Vorhersage der Nachfrage allerdings immer komplexer. Wie cloud-basierte Technologien und innovative Prognosemethoden mit künstlicher Intelligenz (KI) nun helfen, die Produktion trotz nahezu unbegrenzter Variantenvielfalt effizient und präzise zu planen, erläutert Automotive Experte , Maid Jakubovic.

Herr Jakubovic, als die ersten Fahrzeuge auf den Markt kamen, war es noch einfach, ein Auto zu kaufen oder zu verkaufen. Es gab wenige Varianten!

Das stimmt. Für das erste Serienfahrzeug, den Benz Velo, gab es gerade mal acht verschiedene Varianten. Schon im Ford Model T waren es mit 60 mehr. Der Blumenstrauß an Optionen war überschaubar. Diese Entwicklung wiederholte sich gerade auf dem E-Fahrzeug-Markt. Tesla-Chef Elon Musk bot das Model 3 nur in sechs Farben und zwei verschiedenen Reifengrößen in 12 Varianten an. Inzwischen gibt es weitere Optionen und die Anzahl der Varianten hat sich auf 120 erhöht. Tesla konnte also zunächst buchstäblich verkaufen, was auf Lager war.

Aktuell ist die Konfiguration eines BYD, Lucid oder Tesla immer noch vergleichsweise schnell gemacht, weil es nicht so viele Varianten gibt, wie man es von Verbrennern gewohnt ist. Bei der S-Klasse von Mercedes geht die Anzahl an Varianten quasi ins Unendliche. Wird es diese Vielfalt künftig auch für E-Fahrzeuge geben?

Der E-Fahrzeugmarkt wandelt sich gerade von einem Verkäufer- in einen Käufermarkt. Weltweit betrachtet ist es so, dass sich im Automobilsektor die so genannten Built-to-Stock- und Built-to-Order-Märkte in etwa die Waage halten. In Deutschland beispielsweise konfigurieren sich die Kunden gerne ihr Fahrzeug individuell und nehmen dafür auch längere Lieferzeiten in Kauf. In China und den USA hingegen nehmen sie es gleich vom Händler mit. Die Kunst eines Autoherstellers besteht nun darin, beide Märkte zuverlässig und schnell bedienen zu können.

Wie kann man herausfinden, was die Kunden künftig für Fahrzeuge kaufen wollen?

Schon zwei bis drei Jahre bevor ein neues Modell gebaut wird, beginnen die Autohersteller mit Szenarien, für die bestimmte Annahmen getroffen werden. Das ist nicht einfach: Manche Fahrzeuge bestehen aus 50.000 Einzelteilen. Allein für einen Seitenspiegel gibt es diverse Möglichkeiten. Neben der Farbe können ein Todwinkelassistent und ein Winterpaket (mit eingebauter Heizung) gebucht werden. Unterschiedliche Kabelbäume werden für diese Optionen nötig, so dass für einen Seitenspiegel bis zu 100 Varianten möglich sind. Ähnlich ist das bei Autotüren, die in Farbe, Bezügen, Schaltern variieren und zudem Lautsprecher für eine Soundanlage enthalten können. Allerdings können Autohersteller immer wieder auf Erfahrungen mit ähnlichen Modellen aus der Vergangenheit zurückgreifen und sie in ihre Prognose mit einbeziehen.

Capgemini hat in Co-Innovation mit einem Premiumfahrzeughersteller im Rahmen der gemeinsamen strategischen Initiative mit SAP im Bereich Automotive Cloud Solutions nun das Prognosetool „Capgemini Order Simulation for Automotive“ entwickelt, das beides kann – historische Daten einbeziehen und zukünftige Szenarien entwickeln. Welche Vorteile bietet die Lösung?

Es gib drei wesentliche Vorteile:

  1. Variantenanzahl ist nicht begrenzt: Mehr als 2.000 Varianten sind in SAP-Systemen derzeit ohne individuelle Umwege nicht möglich. Das neue Tool ist nicht auf eine bestimmte Variantenzahl begrenzt, unter anderem, weil in der Cloud eine fast unbegrenzte Rechenkapazität zur Verfügung steht.
  2. Detaillierte Planung: Die Planung für die Fertigung geschieht auf Basis der kleinsten Dateneinheit, auf Auftrags- und Sachnummernebene. Vorteil: Die Produktion und Rüstzeiten lassen sich detailliert durchplanen und so die Prognose ständig verbessern.
  3. Forecast plus Szenarien: Das neue Tool kann einerseits historische Daten, andererseits Szenarien in seine Prognose einbeziehen und präzisiert sie ständig. Im Idealfall lassen sich Bestellungen von vergleichbaren Modellen in die Prognose einbeziehen. Ist das nicht möglich, werden Annahmen getroffen und mit dieser Prognose in den Markt gegangen. Schon nach den ersten Wochen eines Modells im Markt lässt sich die Prognose weiter verbessern und die Fertigung daraufhin anpassen. Maschinelles Lernen unterstützt hier, indem etwa Ausreißer erkannt werden.

Wie lange dauert es in der Regel, bis ein individuell konfiguriertes Fahrzeug ausgeliefert werden kann?

Das ist unterschiedlich, bis zu zehn Monate sind jedoch keine Seltenheit. Der Benchmark liegt aktuell bei drei Monaten, wobei noch sechs Wochen vor Produktionsbeginn einzelne Details wie die Farbe geändert werden können. Diese Lösung eines Premiumherstellers basiert allerdings auf Legacy-Software, die einerseits individuell gepflegt werden muss und andererseits in der Leistungsfähigkeit kaum noch ausbaufähig ist. Die Industry Cloud Lösung Capgemini Order Simulation for Automotive basiert auf einer modernen Infrastruktur. Unsere Prognosen können wir, wenn nötig und gewollt, stündlich anpassen.

Wir empfehlen Ihnen weitere Informationen und ein kurzes Erklärvideo sowie ein Video mit Expertengespräch zum Thema von der Hannover Messe 2024.

Expertenaustausch:

Wollen Sie dieses Thema auch angehen oder haben Sie bereits Erfahrungen gesammelt?

Schreiben Sie uns doch einfach! Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

Unsere Expert*innen

Maid Jakubovic

Managing Business Analyst
Maid Jakubovic is an experienced Managing Business Analyst with more than 20 years of project experience in the automotive industry. His in-depth expertise covers the entire value chain of OEMs, especially in the areas of planning and supply chain management. In close cooperation with SAP and customers, he designs innovative solutions for the automotive industry.

Anke Rieche

Global Automotive Program Lead
Anke ist eine Business Development Expertin mit 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Software, Infrastruktur und Beratung. Als hochmotivierte Teamplayerin mit ausgeprägter Kundenorientierung hat sie sich einen Namen für die Entwicklung und Umsetzung von Markteinführungskonzepten gemacht, insbesondere im Zusammenhang mit den SAP-Plattformen S/4 HANA und Intelligent Enterprise, vor allem im Automobilmarkt. Anke ist davon überzeugt, dass Automobilzulieferer und OEMs durch den Einsatz der Automotive Cloud-Lösungen von SAP, einschließlich der gemeinsamen Entwicklungen von SAP und Capgemini und der Co-Innovation mit Pilotkunden, neue Dimensionen der Agilität und Geschwindigkeit erreichen können.