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Wie Nutzererfahrung die Zukunft gestaltet: Digitale Touchpoints für den öffentlichen Dienst

Melanie Adelt
03. Jun. 2024

In der Geschichte sind Innovationen oft als Antwort auf besondere Herausforderungen entstanden. Ein Beispiel dafür ist die Erfindung des Backpulvers, die das tägliche Leben revolutionierte und gleichzeitig einen starken Impuls für die Zukunft setzte. Auch heute können wir aus dieser Innovation Lehren ziehen – zum Beispiel für die Entwicklung digitaler Dienste in Behörden und Unternehmen.

Im frühen 19. Jahrhundert litt Deutschland unter Hungersnöten, was Wissenschaftler dazu antrieb, die Brotherstellung mithilfe von Backtriebmitteln zu erleichtern. Dr. August Oetker kam auf die Idee, ein auf den privaten Gebrauch zugeschnittenes Produkt anzubieten. Mit kleinen, bunten Backpulvertüten und Rezepten schuf er eine neue Möglichkeit für alle, die zu Hause in kleinen Mengen backen wollten – ein Durchbruch, der Hobbybäcker hervorbrachte.

Die Bedeutung von intuitiven Touchpoints

Das Bedürfnis, unkompliziert Brot zu backen, wurde mit diesem Produkt befriedigt. Heute interagieren wir im Alltag mit einer Vielzahl von Touchpoints wie TV, Websites, Chatbots, E-Mails oder mobilen Apps, die uns das Leben erleichtern. Wie das Beispiel zeigt: Touchpoints müssen spezifisch auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer zugeschnitten sein, damit diese effektiv, effizient und zufriedenstellend zu nutzen sind. Das gilt auch für Prozesse, Informationen und Daten. Wenn etwas zufriedenstellend funktioniert, steigt die Akzeptanz und die Bindung zur Marke wird gestärkt, was sich positiv auf den Markterfolg auswirkt.

Interaktion mit Touchpoints im öffentlichen Dienst

Fünf Schlüsselfragen helfen, die Interaktion mit Touchpoints im öffentlichen Dienst zu verbessern.

Durch Standards in der Nutzerforschung werden Erfahrungswerte vor, während und nach der Nutzung berücksichtigt (DIN EN ISO 9241-210). Das Ziel ist, fünf entscheidende Fragen zu beantworten:

  1. Wer sind die Nutzerinnen und Nutzer? Sind es Bürgerinnen, Unternehmen, Verwaltungsmitarbeiter oder alle drei?
  2. Welche Bedürfnisse und Ziele haben sie? Information oder Interaktion?
  3. Wie interagieren die Nutzer mit dem Service? Mit dem Handy oder PC? Tags oder nachts? Wie lange und von wo? Unterwegs, zuhause oder bei der Arbeit?
  4. Welche Probleme oder Schwierigkeiten haben die Zielgruppen bei der Nutzung? Ist die Zielerreichung einfach und verständlich? Ist die IT-Infrastruktur flexibel und gesetzeskonform?
  5. Wie können wir mithilfe von Nutzerfeedback Funktionalitäten iterativ verbessern und die IT-Services transformieren?

Die angestrebten Verbesserungen sind vielfältig:

  • Verringerte Arbeitsaufwände durch verschlankte Prozesse
  • Weniger Supportanfragen durch eine intuitivere Nutzung
  • Größerer Nutzerkreis durch Implementierung von Accessibility
  • Bessere Reputation der Behörde oder des Unternehmens
  • Geringere Entwicklungskosten, wenn die Nutzerzentrierung von Anfang an Teil des Entwicklungsprozesses ist.

Lösungen sollten auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer basieren, um den Erwartungen der Entscheidungsträger gerecht zu werden. Diese nutzerzentrierte Forschungsmethoden haben sich in der Praxis bewährt: Qualitative Online-Umfragen, Nutzerinterviews, Diskussionen in Foren oder Anfragen im Support-Center. Die gewonnenen Erkenntnisse, werden für die Erstellung von Personas, User Requirements und User-Journeys verwendet.

In einer Zeit des Wandels sind abteilungsübergreifende Abstimmung, Kollaboration und Anpassung an Nutzerbedürfnisse in Behörden entscheidend. Reallabore und Mitmach-Portale, bringen Behörden, Bürger und Unternehmen für eine Anforderungsanalyse zusammen.

Der Wert der gesammelten Erkenntnisse über Nutzerbedürfnisse und -Kontext in einem End-to-End Prozess (User Journey) ist ein konsolidiertes, transparentes und nachvollziehbares gemeinsames Verständnis, welchen Wert man für Nutzer liefern möchte.

Wertschöpfungspotenziale am Beispiel von Portalen

Moderne Portale müssen gesamtheitlich im Ökosystem aller angrenzenden Systeme gedacht und konzipiert werden, Inhalte müssen aktuell und jederzeit und von überall aus, ganz unkompliziert zugänglich sein.

  • Personalisierte Funktionalitäten, sind ein zentraler Aspekt, denn sie berücksichtigen die Präferenzen und Interessen der Nutzerinteraktion und ermöglichen so, dass Inhalte bedarfsgerecht und flexibel nutzbar angeboten werden, was die Kundenbindung erhöht. Das kann als Beispiel ein Conversational Assistant (Chatbot) sein, welcher es erlaubt, zeit- und ortsunabhängig einen Angelschein zu beantragen oder das Auto umzumelden.
  • Echtzeitdaten und -inhalte, die automatisiert bereitgestellt werden, um dauerhaft aktuelle Informationen bereit zu stellen, steigern das Vertrauen in die Nutzung enorm und verstetigen den Wert für Nutzer, was zu einer höheren Zufriedenheit führt. Dieser Ansatz ist nachhaltig und schont die Ressourcen, da Inhalte nicht wiederholt händisch neu verfasst und bereitgestellt werden müssen.
  • Barrierefreier Zugang fördert die Unabhängigkeit. Geräte, Zeit und Länderunabhängige Nutzung und ohne durch technische Einschränkungen behindert zu werden, eröffnet dem Service einem größeren Nutzerkreis.

Der Wert dieser Vorgehensweise liegt in der gesamtheitlichen Betrachtung des Ablaufs von Anfang bis Ende, der Berücksichtigung von technischen Schnittstellen und der idealtypischen Nutzung durch die Zielgruppen die daraus entstehende Zeitersparnis in der Planung und Umsetzung.

Zukunftsweisende Merkmale, die die Nutzung von Bürgerservices erleichtern

In der Zukunft werden diese Merkmale an Touchpoints erwartet:

  • Vorausgefüllte Inhalte
  • Vereinfachte Prozesse durch KI-Unterstützung
  • Verzicht auf Medienbrüche
  • Nachnutzbarkeit durch das Once-Only-Prinzip
  • Service- und Behördenübergreifende Einmalanmeldung mit einem Account
  • Zugang zu intuitiven Bürgerservices jederzeit, von überall aus.

Diese Merkmale stärken und unterstützen das Dienstleistungsversprechen der Behörden. In seinem Buch „Don‘t Make Me Think, Revisited“ schreibt UX-Experte Steven Krug: „Menschen sind gut darin, Ziele auf direktem Weg zu erreichen – man muss sie nur fragen.”

Die Entwicklung digitaler Services im öffentlichen Sektor erfordert eine klare Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Nutzer. Indem wir aus der Vergangenheit lernen und uns auf intuitive Touchpoints konzentrieren, können wir eine nachhaltige und zufriedenstellende Nutzererfahrung schaffen, die das Leben der Menschen erleichtert und gleichzeitig die Effizienz und Wirksamkeit der Dienstleistungen verbessert.

Weiterführende Artikel:

https://www.capgemini.com/de-de/branchen/public-sector/data-driven-government/

https://www.capgemini.com/be-en/insights/expert-perspectives/the-power-of-data-governance-for-business-transformation/



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Autorin

Melanie Adelt

Expertin für nutzerzentrierte Wertschöpfung in Big Data Services Capgemini Deutschland Hamburg