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Nachhaltigkeit im öffentlichen Dienst: EMAS-Zertifizierung für deutsche Behörden

Dr. Helge Maas
8.12.2023
capgemini-invent

Nachhaltigkeit ist kein vorübergehender Trend, sondern eine der dringendsten Aufgaben unserer Zeit. Das Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung der Bundesregierung muss sich auch im Verwaltungshandeln widerspiegeln. Nicht nur, weil die öffentliche Hand eine entscheidende Vorbildfunktion hat, sondern weil sich ihre Aktivitäten auch selbst auf die Klimabilanz Deutschlands auswirken [1].  Die Treibhausgasemissionen im eigenen Verwaltungshandeln schnell und deutlich zu senken, muss ein zentraler Bestandteil der bundesweiten Anstrengungen sein, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Das Umweltmanagement- und Auditierungssystem EMAS ist hierbei ein zentrales Element für die organisatorische Verankerung von Nachhaltigkeit in der Verwaltung und der Reduzierung ihrer Umweltauswirkungen durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Was ist EMAS?

EMAS steht für „Eco-Management and Audit Scheme“ und ist das Umweltmanagement- und Auditierungssystem der Europäischen Union. EMAS unterstützt Behörden und Unternehmen bei der kontinuierlichen Bewertung, Berichterstattung und Verbesserung ihrer Umweltleistung [2]. So tragen EMAS-zertifizierte Organisationen effektiv zum Umweltschutz bei, zeigen gesellschaftliche Verantwortung und sparen Ressourcen zielgerichtet ein. EMAS verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und dient einer transparenten Umsetzung aller Umweltaspekte – vom Energieverbrauch bis hin zu Abfall und Emissionen [3]. Für die Umsetzung von EMAS in Deutschland ist das Bundesumweltministerium (BMUV) federführend zuständig und wird dabei vom Umweltgutachterausschuss (UGA) unterstützt. Über die EMAS-Vergabe entscheiden externe, von der Deutschen Akkreditierungs- und Zulassungsstelle für Umweltgutachter (DAU) zugelassene Umweltgutachter*innen [4].

Warum ist die EMAS-Zertifizierung für die öffentliche Hand wichtig?

Die Bundesverwaltung, aber auch Behörden auf Kommunal- und Landesebene sind  zur Einführung von EMAS verpflichtet

Die deutsche Bundesverwaltung muss bis zum Jahr 2030 klimaneutral organisiert werden, so schreibt es das Bundes-Klimaschutzgesetz(§ 15) vor. Daher beabsichtigt die Bundesregierung, mit den zehn Maßnahmenpaketen ihres Maßnahmenprogramms „Nachhaltigkeit“ der eigenen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nachzukommen. Entsprechend muss jede Bundesbehörde ihre Treibhausgasemissionen reduzieren [5]. EMAS ist dabei ein wichtiges Instrument für die Erhebung der Ausgangslage und der Entwicklung von Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität [5]. Demnach sieht das Klimaschutzprogramm 2030 (Ziffer 3.5.1.1) vor, dass an allen obersten Bundesbehörden sowie weiteren Bundesbehörden an zusätzlichen 300 Standorten im Zeitraum 2019 bis 2025 ein Umweltmanagementsystem nach EMAS einzuführen ist [6]. Diese Verpflichtung wurde im September 2023 zusätzlich im Energieeffizienzgesetz (EnEfG) verankert: Ab bestimmten Leistungswerten müssen die öffentlichen Organe sowie die von der öffentlichen Verwaltung genutzten Rechenzentren konkrete Effizienzmaßnahmen und Effizienzstandards in Form von EMAS oder ISO 50001 [1] einführen. Öffentliche Stellen sind von der Verpflichtung betroffen, sobald ihr Endenergieverbrauch pro Jahr mehr als 3 GWh beträgt. Rechenzentren sind ab einer Nennanschlussleistung von 50 kW betroffen [7]. Somit betrifft die EMAS-Zertifizierung auch öffentliche Stellen auf kommunaler- und Landesebene, die diesen Kriterien entsprechen.

Die Einführung von EMAS bietet zahlreiche Vorteile für die öffentliche Hand

Umwelt schonen: Sei es bei der Verbesserung der Energieeffizienz, der Minimierung von Treibhausgasen oder bei der Vermeidung von Abfällen: Die EMAS-Zertifizierung ist ein wirksames Werkzeug für Behörden, Umweltmanagement als integralen Bestandteil in ihre Organisationsprozesse einzubinden und so ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren [8]. Es handelt sich also nicht um punktuelle Einzelmaßnahmen, sondern um die systematische Einbettung des Umweltschutzes als Querschnittsfunktion in die Behördenstruktur.

Öffentlichkeitswirkung: Bei einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit können Behörden mit einer geprüften Umwelterklärung ihre Aktivitäten transparent darstellen. Die Umwelterklärung der Behörden wird im EMAS-Register verlinkt und in die Datenbank des Umweltgutachterausschusses eingestellt [8]. Das EMAS-Logo fördert ein positives Bild der Verwaltung in der Öffentlichkeitsarbeit und stärkt das Vertrauen der Bürger*innen in die Nachhaltigkeitsbemühungen ihres Staates.

Ressourceneffizienz: Mit EMAS schaffen Behörden eine stabile Datenbasis und können ihre kontinuierliche Verbesserung überprüfen. Das ermöglicht, den Verbrauch von Ressourcen zu reduzieren [8]. Trotz der anfänglich anfallenden Kosten für die EMAS-Einführung, können langfristig Kosten eingespart werden. Wie viel, hängt von den indviduellen Gegebenheiten in den Behörden ab. Der Großteil der EMAS-zertifizierten Organisationen (67%) erreicht mit EMAS beispielsweise (sehr) große oder mittlere Energiekosteneinsparungen [9].

Innerbetriebliche Stärkung: Durch die systematische Prüfung aller umweltrelevanter behördlichen Aktivitäten können Verbesserungspotentiale aufgezeigt werden.

Attraktivität als Arbeitgeber: Zudem ist eine zertifizierte Behörde ein attraktiverer Arbeitgeber. Immerhin wünschen sich drei von vier Beschäftigten in Deutschland einen nachhaltigen Arbeitgeber [10]. EMAS ist nicht nur ein Managementsystem, sondern ermutigt dazu, dass Organisationen über die gesetzlichen Anforderungen hinauswachsen und ihre Umweltleistung kontinuierlich verbessern. Zentral bei EMAS ist, dass sich die Beschäftigten mit den Umweltschutzinteressen ihres Arbeitgebers identifizieren. Das ermöglicht „gelebtes“ Umweltmanagement [3].

Abbildung 1: Die Vorteile der EMAS-Zertifizierung für den öffentlichen Sektor

Capgemini unterstützt Ihre Behörde auf dem Weg zur EMAS-Zertifizierung

Wer sich für die EMAS-Registrierung entscheidet, muss den Rahmen der EMAS-Verordnung einhalten [3]. Der verlangt eine Untersuchung der aktuellen Umweltstandards in der Behörde, eine Prüfung der Umweltvorschriften sowie die interne Umstrukturierung und anschließende Umwelterklärung. Dies bedarf Zeit- und Personalressourcen sowie Expertise in der EMAS-Zertifizierung. Mit langjähriger Erfahrung im öffentlichen Sektor, gepaart mit umfassender Nachhaltigkeitsexpertise, ist Capgemini ein kompetenter Partner, der die Besonderheiten der deutschen Verwaltung kennt und direkt berücksichtigt.



Unser Vorgehen: In sieben Schritten zur EMAS-Zertifizierung

Abbildung 2: Die sieben Schritte der EMAS-Zertifizierung

Die sieben Schritte werden von einem fortlaufenden Monitoring und einer Evaluierung begleitet, die eine kontinuierliche Verbesserung ermöglichen. Dadurch entsteht ein großer Lerneffekt, der in den nächsten Zyklen genutzt werden kann. Hilfreich sind dabei interne Umweltaudits, die in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden und dazu dienen, die Einhaltung der zuvor festgelegten internen Ziele zu überprüfen [11]. Die dabei vorgenommenen Anpassungen müssen in die aktualisierte Umwelterklärung einfließen.

Schritt 1: Planen und Vorbereiten

Im ersten Schritt wird ein Umweltteam gebildet, welches alle benötigten Schritte vorbereitet und durchführt. Bei größeren Behörden empfiehlt sich zudem die Einrichtung einer Steuerungsgruppe, die Ergebnisse verabschiedet und die Einhaltung des Zeitplans im Blick behält. Im Anschluss sollten die Beschäftigten im Rahmen einer Informationsveranstaltung über die internen EMAS-Prozesse informiert und langfristig auch aktiv einbezogen werden. Die Einbeziehung aller Beschäftigten ist enorm wichtig, da sie mit ihrem (Fach-) Wissen das Projekt mitgestalten sollen [11].

Sowohl der zeitliche als auch der personelle Aufwand, der für die EMAS-Einführung einzuplanen ist, hängt von der Größe und den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Organisation ab und variiert  von Behörde zu Behörde. Im Schnitt vergehen vom Entschluss, EMAS einzuführen, bis zur Registrierung 15 Monate. Einige Organisationen schaffen die Registrierung auch innerhalb von sechs Monaten, andere benötigen zwischen 13 und 24 Monaten. Etwa 10 Personenmonate beträgt der durschnittliche personelle Aufwand. Am zeitaufwändigsten erweisen sich die Prozesse der Datenerhebung und der Dokumentationserstellung [11].

In der Aufbauphase bis zur Erst-Zertifizierung ist der zeitliche Aufwand der/des Umweltbeauftragten erheblich und verlangt in der Regel eine volle Stelle. Zudem binden Zuarbeiten aus Fachabteilungen auch dort Personal und Mittel. Da sowohl personelle als auch fachliche Ressourcen in den Behörden begrenzt sind, kann es besonders im Rahmen der Aufbauphase sinnvoll sein, den internen Personalaufwand durch externe Beratung zu reduzieren. Die damit einhergehenden finanziellen Kosten können durch Konvoiverfahren mehrerer Behörden reduziert werden. Zudem besteht die Möglichkeit, landesspezifische Förderprogramme zur Einführung von EMAS in Anspruch zu nehmen [11].

Nach der ersten Validierung, im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP), geht der zeitliche Aufwand für die Behörde zurück. Nichtsdestotrotz sollte die/der Umweltbeauftragte abhängig von der Behördengröße zwischen 20 und 50 Prozent der Arbeitszeit für EMAS einplanen. Zudem sollte den Mitgliedern des Umweltteams ein zusätzliches Zeitbudget zur Verfügung stehen. Zu Stoßzeiten, beispielsweise im Rahmen der jährlichen Umweltbetriebsprüfung, steigt der Zeitaufwand: Größere Behörden sollten in der Regel fünf Tage für die Umweltbetriebsprüfung und die Validierung einkalkulieren und zusätzliche zwei bis drei Tage für die Vor- und Nachbereitung der Audits inklusive der Anfertigung von Berichten [12].

Generell gilt: Da EMAS ursprünglich für Gewerbe konzipiert wurde, müssen Behörden bei allen sieben Schritten ihr Vorgehen so konfigurieren, dass es mit den besonderen Gegebenheiten der öffentlichen Hand konform ist.

Schritt 2: Umwelt- und Rechtsprüfung

In diesem Schritt wirddieErhebung umweltrelevanter Daten durchgeführt. Dazu gehört die Erfassung der direkten und indirekten Umweltaspekte der Behörde, die Bewertung der Bedeutung dieser Aspekte und die Dokumentation von Risiken und Chancen. Außerdem werden die für die Behörde relevanten umweltrechtlichen Vorschriften gesammelt und bewertet. Hilfreich ist hierbei die Einführung eines Tools zur leichteren Datenerfassung und -optimierung, Abbildung und Sortierung der Prozesse sowie zur Visualisierung der Ergebnisse. Die größte Herausforderung hierbei ist unserer Erfahrung nach die Datenverfügbarkeit. Was nicht verfügbar ist, kann auch nicht erfasst und entsprechend verbessert werden. Behörden sollten das Thema frühzeitig angehen.

Schritt 3: Umweltleitbild und Umweltziele

Das Umweltleitbild legt das Selbstverständnis der Umweltpolitik der Organisation fest und muss zu Beginn des Prozesses definiert werden. Es baut auf der existierenden Organisationskultur und den individuellen Beweggründen auf und enthält Umweltziele, die dabei helfen, eine gemeinsame Vision zu schaffen, die Motivation der Beschäftigten zu erhöhen und die Messung des Fortschritts bei der Umsetzung zu ermöglichen.

Schritt 4: Umweltprogramm und Umweltmanagementhandbuch

Das Umweltprogramm baut auf den Ergebnissen der Umweltprüfung und den Zielen auf. Es definiert konkrete Maßnahmen zur Organisation der Ressourcen, Verantwortlichkeiten und Zeitpläne zur Einführung des Umweltmanagementsystems nach EMAS in den Arbeitsalltag der Behörde. Empfehlenswert ist dabei die Erstellung des sogenannten Umweltmanagementhandbuchs, das die Dokumentation der Prozesse zusammenfasst und in den jährlichen Managementplan der Organisation integriert wird.

Schritt 5: Umsetzung der Maßnahmen

Es werden Regelungengetroffen, um den Rahmen für die EMAS-relevanten Abläufe langfristig zu etablieren. Zu den Kernaspekten des Umweltmanagements nach EMAS gehören Energieverbrauch, Materialverbrauch, Wasser, Abfall, Flächenverbrauch in Bezug auf die biologische Vielfalt sowie Emissionen. Diese Aspekte rücken bei der Umsetzung besonders stark in den Fokus. Nicht immer haben Behörden die Möglichkeit, alle erarbeiteten Maßnahmen direkt umzusetzen – beispielsweise bei erforderlichen baulichen Maßnahmen an den Liegenschaften. Essenziell ist daher bei diesem Schritt die Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie mit internen und externen Akteuren und ein enger Austausch mit den Beschäftigten.

Schritt 7: Umwelterklärung

Die Umwelterklärung ist ein entscheidender Schritt für die EMAS-Zertifizierung. Sie repräsentiert das Ergebnis der umgesetzten Veränderungen und enthält alle umweltrelevanten Informationen. Konkret werden Umweltziele, Struktur, Tätigkeiten, Kennzahlen, Maßnahmen und Fortschritte der Behörde dokumentiert. Nach der Validierung des Gutachters wird die Umwelterklärung veröffentlicht und kommuniziert somit die Umweltleistung der Organisation nach außen.

Schritt 7: Validierung und Zertifizierung

Im Rahmen der Validierung prüft ein(e) unabhängige(r) Umweltgutachter*in die Einhaltung aller Vorschriften der EMAS-Verordnung sowie die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit der Daten. Im Anschluss wird die Behörde nach den EMAS-Standards zertifiziert.

Systematisches Umweltmanagement in Behörden – ein Gebot der Stunde

EMAS ebnet seit über 20 Jahren den Weg zur betrieblichen Nachhaltigkeit und ist damit zurecht kein neues Thema mehr. Nachdem EMAS bisher im Wesentlichen bei Unternehmen eingeführt wurde, ist es nun an der Zeit, diesen kontinuierlichen Verbesserungsprozess für den Umwelt- und Klimaschutz auch in den deutschen Verwaltungen einzuführen. Insgesamt sind über 1.100 deutsche Organisationen an 2.340 Standorten EMAS-zertifiziert [13]. Von den insgesamt 965 Einrichtungen, die der öffentlichen Hand zuzuordnen sind [14], weisen nur 62 Organisationen eine EMAS-Zertifizierung auf.

Es gibt also immer noch viele Verwaltungsorgane, die bislang kein Umweltmanagementsystem eingeführt haben. Das schmälert in gewisser Weise die Glaubwürdigkeit des öffentlichen Sektors, die gesetzlich verankerten Nachhaltigkeitsbestrebungen der Bundesregierung ernst zu nehmen. Es ist nun also an der öffentlichen Hand, mit gutem Beispiel voranzugehen. Behörden, die sich noch nicht mit der Zertifizierung befasst haben, müssen das Thema jetzt angehen – für mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz beim behördlichen Umweltschutz.

Vielen Dank an meine Co-Autorinnen Antonia Zvolský und Irina Zhavoronkova.


Autor

Dr. Helge Maas

Director | Sustainability Lead Public Sector Germany, Capgemini Invent Germany
Helge Maas ist Sustainability Lead für den Public Sector bei Capgemini in Deutschland und berät die öffentliche Hand seit über 14 Jahren zu den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Er unterstützt Kommunen, Behörden und Ministerien dabei, ihre ambitionierten Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsziele zu erreichen sowie gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Hierzu gehört unter anderem die Durchführung von Bestandsaufnahmen, die partizipative Erstellung von Maßnahmenplänen sowie die Schaffung nachhaltig tragfähiger Strukturen. In seinen Projekten arbeitet er getreu dem Motto „Global denken, lokal handeln“.

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