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Kreislaufwirtschaft: Wege zu wirtschaftlichen Mehrwegverpackungs-Systemen

Bernd Amsler
11. Juni 2024

Reuse, Reduce, Recycle und weitere R-Strategien: Konzepte der Kreislaufwirtschaft sowie der Wille, sie umzusetzen, sind vielfach vorhanden. Doch auch Zirkularität muss sich wirtschaftlich rentieren und realisierbar sein.

Noch dominieren lineare Wirtschaftsmodelle so stark, dass viele nachhaltige Initiativen es schwer haben im Markt umgesetzt zu werden bzw. lange Zeit zu bestehen. Das zeigt sich im Großen so wie im Kleinen – etwa an unserem lokalen Unverpackt-Laden, also in Sachen Verpackungs-Reduzierung: Er öffnet an nur drei Tagen pro Woche, da die Inhaberin ihren Lebensunterhalt erst mit einem zusätzlich Teilzeitjob erfolgreich bestreiten kann.

Im linearen Wirtschaftsmodell liegt der Schwerpunkt auf der Produktion neuer Produkte, die nach Gebrauch entsorgt werden. Im Gegensatz dazu setzen Modelle der Kreislaufwirtschaft darauf, Ressourcen zu schonen und Abfall zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden – u. a. durch die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten.

Zu den treibenden Kräften hinter dieser Entwicklung zählen:

  • Rohstoffsicherheit: Wer die Abhängigkeit von immer neuen Rohstoffen und wenigen Rohstofflieferanten verringert, senkt Risiken.
  • Kostendruck: Die Verknappung von Ressourcen führt zu Preissteigerungen; ein geringerer Ressourcenverbrauch ist daher wirtschaftlich sinnvoll.
  • Nachhaltigkeit und Regulatorik: Die ökologischen Auswirkungen der linearen Wirtschaft ziehen verstärkt regulatorische Nachhaltigkeitsmaßnahmen nach sich.

Noch lässt sich die Praxis – auch laut einer Veröffentlichung des Umweltbundesamts – eher als kreislauforientierte Abfallwirtschaft statt als echte Kreislaufwirtschaft charakterisieren. Der Fokus liegt zu sehr auf der letzten Lebensphase der Produkte, während die lebenszyklusweite Betrachtung und die tatsächliche Verringerung materieller Stoffströme bislang zu kurz kommen.

Neben den Produkten selbst verursachen deren Verpackungen für Verkauf und Transport einen erheblichen Ressourcenverbrauch und hinterlassen allein in Deutschland ca. 20 Millionen Tonnen Abfall jährlich.

Auch angesichts der kurzen Nutzungsdauer wäre die Ablösung von Einweg- durch Mehrwegverpackungen sinnvoll. Um ein solches System erfolgreich aufzubauen, sind bestimmte Voraussetzungen in drei Bereichen notwendig:

  • Regulatorik
  • Ökologische Auswirkungen
  • Wirtschaftliche Rentabilität

Regulatorische Rahmenbedingungen Forcieren den Umstieg auf Mehrweg

Die Europäische Union plant eine Verordnung mit dem Ziel, bis 2030 alle Verpackungen wiederverwendbar oder wirtschaftlich recycelbar zu machen. Die EU setzt dazu auf Quoten für Mehrwegverpackungen im Online-Handel sowie auf Regelungen für Transporte zwischen Unternehmen und zwischen Standorten eines Unternehmens. Zusätzlich sind Mehrwegquoten für Getränkeverkaufsverpackungen und für die Lieferung von Elektrogeräten an Verbraucher vorgesehen.

Ökologische Vorteile von Mehrweg sind keine Selbstverständlichkeit

Laut ökobilanziellen Studien ist der Einsatz von Mehrwegverpackungen unter Voraussetzungen wie diesen umweltseitig vorteilhaft:

  • Hohe Anzahl der Nutzungszyklen
  • Geringe Transportdistanzen
  • Ökologische und ressourcensparende Reinigung
  • Robuste Verpackungsmaterialien mit geringer Masse

Demnach sind Mehrweg-Kunststoffkisten zum Beispiel für den Transport von Obst und Gemüse gegenüber Holz- oder Karton-Einwegkisten ab fünf Umläufen ökologisch im Vorteil (Primärquellen: Albrecht et al. 2013; Levi et al. 2011; Tua et al. 2019). Den Faktor Transportdistanz illustriert die folgende Abbildung: Hinsichtlich des CO2-Äquivalenzwerts erweisen sich unterhalb von 1.000 km Kunststoffkisten und über 1.000 km die Einweg-Kartons als ökologisch vorteilhaft.

Abbildung 2: Treibhausgasemissionen von Kunststoffkisten und Pappkartons in Abhängigkeit von Transportdistanz (Coelho et al. 2020)

Wirtschaftliche Rentabilität ist planbar

Beim Aufbau eines Systems für Mehrwegverpackungen entscheiden die Geschäftsbeziehungen zwischen den Marktteilnehmern über den Grad an Komplexität und die am besten geeigneten Lösungsansätze. So erfordert ein B2C-Szenario größere Puffer für möglicherweise höhere Verlustraten der Mehrwegverpackungen. Rechtliche Vorschriften können Wettbewerbsnachteile egalisieren – zum Beispiel sind durch Pfandsysteme Kosten für fehlende Rückläufe auf Endverbraucher umlegbar. Im B2B-Szenario hingegen sind präzisere Planung, Steuerung und Nachverfolgung möglich und notwendig. Hier können ineffiziente Mehrwegsysteme zu Kosten- und damit Wettbewerbsnachteilen führen.

Im B2B- Mehrweg-Szenario führt die Balance der folgenden, teils konkurrierenden Maßgaben zu niedrigeren Umlaufkosten, die unter den Wiederbeschaffungskosten für entsprechende Einwegverpackungen liegen können:

  • Das Design der Mehrwegverpackungen ermöglicht hohe Umlaufzahlen und ökologisches sowie rentables Recycling
  • Ökologische Reinigung und wirtschaftliche Reparatur der Verpackungen erhöhen die Nutzbarkeitsdauer
  • Ausgleich zwischen Ladekapazität und Umlaufgeschwindigkeit: Eine höhere Umlaufhäufigkeit erfordert weniger Lagerfläche, aber mehr Transportvorgänge
  • Optimierte Transportplanung und Verpackungskapazität: Transporte zwischen Sender, Empfänger und Dienstleistern minimieren
  • Kürzere Transportentfernungen sind ökologisch sinnvoller
  • Eine hohe Standardisierung der Verpackungsmittel erhöht ihre Auslastung
  • Mit der Anzahl der beteiligten Akteure wachsen die Skaleneffekte
  • Vereinfachung der Handhabungsprozesse, etwa bei der Kommissionierung oder dem Umpacken von Einweg- zu Mehrwegverpackungen bei Import- und Exportvorgängen
  • Minimierung der Investitions- und Betriebskosten durch Auswahl des geeigneten Kreislaufsystems (Tausch-, Pool- oder Leihsystem)

Um Kostenvorteile gegenüber Einwegverpackungen zu erzielen und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden ist somit vor allem eine effiziente Planung, Steuerung und Nachverfolgung von Mehrwegverpackungen zwingend erforderlich.

Mehrwegsysteme sind Gemeinschaftsprojekte

Im B2B-Sektor sind Mehrwegsysteme für Transportverpackungen bereits in einigen Branchen weit verbreitet, da sie wirtschaftliche Vorteile bieten. Im Gegensatz dazu hat sich der Anteil der Mehrwegverkaufsverpackungen im B2C-Sektor in den letzten Jahren verringert. Hier sind die Kosten für die Endverbraucher von entscheidender Bedeutung: Mehrwegverpackungen werden erst dann auf breite Zustimmung stoßen, wenn sie einfach zu nutzen sind und die verpackten Produkte nicht teurer als in Einwegverpackungen angeboten werden.

Allgemein erfordert der Aufbau eines Mehrwegverpackungssystems Investitionen und der Betrieb eine intensivere Zusammenarbeit aller Beteiligten der Lieferkette als dies bei Einwegverpackungen der Fall ist. Zudem brauchen einige Branchen eine bessere Verfügbarkeit von Informationen zur Implementierung eines Mehrwegverpackungssystems und geeignete Best-Practice-Konzepte. Doch regulatorische Anforderungen werden den Ausbau von Mehrwegverpackungssystemen sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich weiter vorantreiben. So dürfte die geplante EU-Richtlinie zusätzliche Branchen, insbesondere den E-Commerce, und nahezu alle Unternehmen einbeziehen.

Mit einer ganzheitlichen Planung und enger Zusammenarbeit in der Lieferkette können Mehrwegverpackungssysteme Ressourcen schonen und zu wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren werden.

Weiterführende Informationen:

Circular Economy | EPRS | European Parliament (europa.eu)

Proposal Packaging and Packaging Waste – European Commission (europa.eu)

Sustainable packaging: a critical part of your green credentials | Capgemini

Die Kreislaufwirtschaft für eine nachhaltige Zukunft | Capgemini

Studie: Verbraucher hoffen auf mehr Kreislaufwirtschaft – packaging journal (packaging-journal.de)

LOOP – Das Milchmann-Modell neu interpretiert | Capgemini Germany

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Autor

Bernd Amsler

Managing Business Analyst
Experte für Mehrwegverpackungsmanagement