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IT-Trends-2023: Was die Automobilbranche besser kann

Ralf Blessmann
16. Mai 2023

Höhere Datenverfügbarkeit, intensivere Nutzung intelligenter Technologien, größere Zuversicht beim Erreichen der Klimaziele und etwas weniger Fachkräftemangel in der IT – das sind die Eckdaten, die die Automobilbranche 2023 von der Gesamtwirtschaft unterscheiden.

An die IT stellen Automobilkonzerne laut der aktuellen Capgemini IT-Trends-Studie in diesem Jahr in erster Linie zwei Anforderungen: die Effizienz soll steigen und die Kosten sinken. Vor allem Kostensenkungen haben einen höheren Stellenwert als 2022, da auch bei geringeren Produktionszahlen der Gewinn gehalten werden soll. Die Hebel dazu sind unter anderem der Verkauf von teureren Fahrzeugen, aber auch effizientere Abläufe und die Monetarisierung von Daten.

Dementsprechend hat die Verbesserung der Informationsauswertung und -nutzung 2023 ebenfalls Priorität, wohingegen die Orientierung an den Bedürfnissen von Kundinnen und Kunden in den Hintergrund tritt. Dasselbe gilt für die Verkürzung der Entwicklungszeit von Produkten und Services.

Die IT-Budgets steigen jetzt weniger stark: im Vorjahr rechneten noch 76 Prozent mit Erhöhungen, jetzt sind es nur noch knapp 43 Prozent der Teilnehmenden. Damit schränkt die Automobilbranche die Budget-Erhöhungen deutlicher ein als die Gesamtwirtschaft, in der 2022 knapp 74 Prozent und in diesem Jahr noch 52 Prozent der CIOs mehr Geld als im Vorjahr erhalten oder erhalten haben.

Datenschutz und -sicherheit entscheiden über den Erfolg von Connected Services

Ein Teil des Geldes wird in die Weiterentwicklung von Connected Services fließen, die einen hohen Stellenwert haben. Ihren Erfolg damit im Vergleich zum direkten Wettbewerb stufen die Teilnehmenden der Studie aber als etwa gleich ein.

Die wichtigsten Faktoren für den Erfolg von Connected Services sind nach Meinung der Befragten Datenschutz und Datensicherheit, dicht gefolgt von der User-Experience. Diese Ergebnisse überraschen nicht, wohl aber, dass die Anzahl der Innovationen, die Software-, E/E- und Service-Architektur sowie Over-the-Air-Updates einen geringeren Stellenwert haben. Offenbar gehen die Befragten davon aus, dass seltenere Neuerungen aber dafür in hoher Qualität besser sind, als viele kleine Updates. Diese Einschätzung ist wahrscheinlich auch dem Umstand geschuldet, dass einige Hersteller mit Over-the-Air-Updates Probleme haben, unter anderem wegen historisch gewachsener Software-, E/E- und Service-Architekturen.

Vorreiter bei intelligenten Technologien

Beim Einsatz von KI hat die Automobilindustrie einen deutlichen Vorsprung vor vielen anderen Branchen. Während sich in der Wirtschaft insgesamt 40,5 Prozent der Teilnehmenden intensiv oder sehr intensiv mit intelligenten Technologien auseinandersetzen, sind es in der Automobilindustrie 50,1 Prozent der Befragten. Auch die Voraussetzungen sind besser: Während in Unternehmen im Durchschnitt nur knapp 59 Prozent aller Daten uneingeschränkt genutzt werden können, sind es in der Automobilbranche 66 Prozent. Dennoch gibt es auch bei ihr – wie in vielen anderen Branchen – Probleme mit Datensilos.

IT soll für die Hälfte der Einsparungen von Treibhausgasemissionen sorgen

Im Bereich Klimaschutz hat die Automobilindustrie ähnliche Pläne wie die übrige Wirtschaft: Die Emissionen sollen in den kommenden fünf Jahren um knapp 42 Prozent gesenkt werden, der Durchschnitt aller Unternehmen liegt marginal darüber. Allerdings ist die Automobilbranche deutlich zuversichtlicher, diese Ziele auch zu erreichen: Der Durchschnittswert liegt auf einer Skala von 1 (Zielerreichung ist sehr realistisch) bis 5 (Zielerreichung ist unrealistisch) bei 1,85, der Durchschnitt der Wirtschaft liegt lediglich bei 2,12.

Die IT soll für fast die Hälfte der Einsparungen von Treibhausgasemissionen sorgen. Der weitaus größere Teil davon soll nicht in der IT selbst, sondern mit ihrer Hilfe erreicht werden. Dabei steht die Fahrzeug- und Service-Entwicklung naturgemäß im Vordergrund, denn die Fahrzeugarchitektur entscheidet maßgeblich über die Klimabilanz eines Fahrzeuges. Außerdem soll die IT dazu beitragen, den Energieverbrauch von Maschinen, Geräten und Anlagen zu reduzieren und – in etwas geringerem Umfang – auch Müll und Ausschuss zu reduzieren sowie Routen zu optimieren.  

Mehr und jüngere IT-Fachkräfte federn Folgen des demografischen Wandels ab

Der IT-Fachkräftemangel in der Wirtschaft ist hoch und wird sich in den kommenden Jahren verschärfen. Die Automobilbranche leidet zwar etwas weniger unter dem Phänomen als der Gesamtdurchschnitt, dennoch rechnen auch ihre Vertretenden damit, dass IT-Expertinnen und -Experten in den kommenden Jahren immer schwerer zu bekommen sein werden.

Hinzu kommt, dass die Automobilindustrie in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich knapp 21 Prozent der IT-Mitarbeitenden an den Ruhestand verlieren wird. Positiv für die Branche ist aber, dass sie damit unter dem Durchschnitt der Wirtschaft mit mehr als 24 Prozent liegt. Dementsprechend schätzen Teilnehmende aus der Automobilindustrie die Auswirkungen des demografischen Wandels zwar eher negativ ein, befürchten aber weniger negative Konsequenzen als Befragte aus der Wirtschaft insgesamt. Einige Teilnehmende aus der Automobilindustrie sehen auch eine Chance im demografischen Wandel, nämlich die technologische Erneuerung voranzutreiben. Die Mehrheit geht aber davon aus, dass vor allem Know-how verloren gehen und sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird.

Weiterhin hohe Anpassungsfähigkeit wichtig

Die Branche kann also nach den massiven Lieferkettenproblemen und der Corona-Pandemie immer noch nicht aufatmen. Denn noch ist die Energiekrise nicht bewältigt, die Konjunktur weltweit fragil und die Mobilitätswende nicht umgesetzt. Hinzu kommt der demografische Wandel, der bereits spürbar ist und den Fachkräftemangel auch in der Automobilindustrie weiter verschärfen wird. Sie hat in den vergangenen Jahren aber bewiesen, dass sie trotz aller Probleme wirtschaftlich erfolgreich sein kann, und zwar aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit. Sie basiert unter anderem auf moderner IT, die beispielsweise mit intelligenten Technologien Lieferkettenprobleme löst und hilft, den Fachkräftemangel abzufedern. Deshalb sollten Hersteller und Zulieferer weiter an der Verbesserung ihrer Systeme weltweit arbeiten, denn aller Voraussicht nach wird es in Zukunft eher turbulenter als ruhiger.

Alle Ergebnisse der IT-Trends-Studie können Sie im Studiendokument nachlesen und gerne mit mir diskutieren. Ich freue ich mich auf Ihre Nachricht!

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Autor

Ralf Blessmann

Executive Vice President, Market Unit Head Automotive @ Capgemini
Ralf Blessmann hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der Automotive- und IT-Industrie und arbeitete lange Zeit gesamtverantwortlich für führende Premium-OEMs. Er leitet in der deutschen Organisation als Member of the Management Board den Automotive-Sektor. Neben seiner Rolle als Automotive Head in Deutschland ist er auch gewähltes Mitglied des ITK-Ausschusses der IHK Stuttgart und hat als Dozent der DHBW Stuttgart Vorlesungen über CRM und Key Account Management gehalten.