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Enterprise Architecture: Warum und wofür braucht man eigentlich Boards?

Philip Peters
18.01.2024
capgemini-invent

Nachhaltige IT-Entscheidungen sind in einer sich rasant entwickelnden technischen Landschaft unerlässlich, um den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Architekturgremien spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie die Beteiligung der Unternehmensarchitektur sicherstellen und die Transparenz von IT-Entscheidungen fördern. Die Einbindung solcher Gremien in Entscheidungsprozesse gewährleisten die Nachhaltigkeit von Entscheidungen ohne dabei Agilität und Innovation zu beeinträchtigen. Dies ist insbesondere bei weitreichenden, und kurzfristigen Initiativen entscheidend. So kann ein solides Fundament dargestellt werden, um Chancen in der schnelllebigen Technologiewelt zu nutzen und gleichzeitig Risiken zu minimieren.

Wie Architekturgremien strukturiert und gestaltet werden können, um Nachhaltigkeit aus architektureller Perspektive sicherzustellen und wie dafür auch Architekturprinzipien und technische Schulden genutzt werden können, zeigen wir in diesem Blog-Post.

Was sind Architekturgremien?

Architekturgremien sind Boards oder Ausschüsse, die für die Verabschiedung von Entscheidungen der Entwicklung, Umsetzung und Aufrechterhaltung von Unternehmensarchitektur verantwortlich sind. Sie bestehen aus Vertretern verschiedener Organisationseinheiten und Hierarchieebenen von IT- und Geschäftsbereichen. Aufgaben eines Architekturgremiums sind häufig:

  • Entscheidungen entsprechend der Grundsätzen der Unternehmensarchitektur, strategischen Zielen und Anforderungen der Organisation treffen
  • Transparenz über sämtliche Entscheidungen mit architekturellen Implikationen schaffen

Architekturgremien sind Teil eines übergreifenden Entscheidungsprozess (häufig in der IT), indem Themen aus der Perspektive der Unternehmensarchitektur analysiert werden. Als Grundlage für die Bewertung können architekturelle Artefakte wie Architekturprinzipien oder eine Schätzung technischer Schulden genutzt werden. Architekturgremien dienen auch als Plattform für Kommunikation und Koordination der Architektur.

Vier Dimensionen eines Architekturgremiums

Abbildung 1: Dimensionen einer Gremienstruktur

Architekturgremien verfügen im westentlichen über die vier Charakteristika Inhalt, Struktur & Organisation, Entscheidung und Zeitleiste. Im folgenden werden diese erläutert:

  • Inhalte eines Entscheidungsgremiums definieren die organisatorischen und prozessualen Auslöser einer Entscheidung. Mögliche Auslöser sind bspw. prozessuale Stadien (z. B. Abschluss von Planungskonzepten vor der Designphase im Portfolio-Prozess) oder Ergebnisse architektureller Artefakte (z. B. kritischer Architekturpinzipien-Fit, außergewöhnlich hohe technischer Schulden oder Abweichungen von geplanter Zielarchitektur). Weniger kritische Architekturinitiativen (z. B. Implementierung domäneninterner Anwendung anhand geplanter Zielarchitektur) können informativ im Architekturgremium vorgetragen werden.
  • Dezentrale Architekturgremien (z.B. operative Architekturboards je Organisationseinheit) erfordern übergreifende Standards der Struktur & Organisation. Dabei werden Häufigkeit, Besetzung, Entscheidungsfindungsmodell, Meetingformate und Vorabstimmungen definiert, um konsistente Entscheidungen sicherzustellen. Die Definition des Umgangs mit dringenden Entscheidungsbedarfen fördert die Reaktionsfähigkeit und Flexibilität der Architektur.
  • Zur Sicherstellung einer nachhaltigen Enscheidung werden je Entscheidungskörper Abstimmungsverfahren, Autoritäten, Mandate und Veto-Rechte (je teilnehmende Rolle) definiert. Damit auch bei unvollständiger Besetzung Entscheidungen getroffen werden können, ist eine minimale Entscheidungsfähigkeit zu definieren, welche die minimal benötigte Besetzung definiert, um eine Entscheidung zu treffen.
  • Die Definition der Zeitleiste beschreibt die minimal und maximal mögliche Dauer einer Entscheidung durch das Architekturgremium. So kann der Zeitaufwand der Entscheidung und entsprechender Vorbereitungen berücksichtigt werden.

Drei Arten von Architekturgremien

Architekturgremien bedienen verschiedene strategische Ebenen, dabei ist jedoch individuell zu entscheiden, welche Art von Architekturgremium für den Entscheidungsprozess notwendig sind:

  • Operative Architekturgremien sind domänen-/ abteilungsintern, sofern diese aus Business und IT bestehen. Dabei werden Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf die eigene Organisationseinheit haben und keine Abweichungen von Zielarchitektur oder architekturellen Grundsätzen beinhalten. Dementsprechend setzen sie sich aus Architektur und Business- Mitgliedern der jeweiligen Organisationseinheit und ggf. Mitgliedern ausgelagerter Architektureinheiten zusammen.
  • Architekturgremien auf taktischer Ebene behandeln Entscheidungen, welche Implikationen auf mehrere Organisationseinheiten haben ohne dabei signifikante Abweichungen von der Zielarchitektur aufzuweisen. Das taktische Architekturgremium ermöglichtübergreifende r Diskussionen und Absprachen. Die Besetzung besteht aus (betroffenen) Teamleitern und (Enterprise und Solution) Architekten auf Management-Ebene und ggf. Mitgliedern einer ausgelagerten Architektureinheit.
  • Architekturgremien auf strategischer Ebene treffen Entscheidungen mit langfristigen Implikationen auf strategischem Level der Organisation. Hier werden Abweichungen von Zielarchitekturen oder Grundsätzen der Architektur behandelt. Das strategische Architekturgremium findet auf höherer Management-Ebene statt und beinhaltet ggf. den CEO/CIO, Teamleiter sämtlicher Organisationseinheiten und Entscheidungsträger der Architektur.

Abbildung 2: Architekturgremien-Struktur

Architekturgremien innerhalb des Entscheidungsprozesses

Die Einbettung und Integration der Gremien in den ganzheitlichen Entscheidungsprozess gewährleistet eine effektive ganzheitliche Gremienstruktur. Erst durch die Definition von Auslösern erforderlicher Entscheidung oder Einschätzung der Architektur können Absprünge von klassischen IT-Delivery Prozessen, wie bspw. einem Demand-to-Solution Prozess ermöglicht werden. So können sämtliche architekturrelevanten Initiativen transparent in der Organisation erfasst werden. Außerdem sind Architektur- und weitere Entscheidungsgremien inhaltlich voneinander abzugrenzen, gleichermaßen in den Entscheidungsprozess zu integrieren und miteinander abzustimmen. Dies impliziert, dass Governance-Mechanismen notwendig sind, welche die Verantwortlichkeiten und Formalitäten organisieren um sicherzustellen, dass Architekturgremien nicht umgangen werden können und möglichst effektiv eingesetzt werden.

Fazit

Architekturgremien ermöglichen die Einbindung der Architektur in Entscheidungsprozesse und schaffen gleichzeitig Transparenz. Dies stärkt zu einem die Präsenz und Teilnehmer der Architektur an IT-Entscheidungen und fördert zum anderen die Zusammenarbeit mit dem Business. Außerdem führt dies dazu, dass IT-Anfragen sowohl langfristig ausgerichtet als auch agil und innovativ bearbeitet werden. Eine strukturierte Gestaltung und Umsetzung von Architekturgremien und ihrer Struktur innerhalb der Organisation stellt ganzheitliche und transparente Entscheidungsprozesse unter Beteiligung der Architektur sicher, um in einer sich rasch verändernden Technologielandschaft nachhaltige IT-Entscheidungen zu treffen.

Vielen Dank an meine Co-Autorin Ghezala Akrami.

Unser Experte

Philip Peters

Director | Business Technology, Capgemini Invent Germany
Philip ist Senior Experte für Enterprise Architecture und berät Kunden branchenübergreifend. Sein Schwerpunkt ist die Steuerung von Digitalen Transformationen mit besonderen Schwerpunkt auf EA Governance, Aufbau der Architekturfunktion und Entwicklung von Zielarchitekturen.

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