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Die Batterie-Chance: wie europäische Automobilkonzerne zu erfolgreichen Batterieproduzenten werden

Michael Müller
01. Aug. 2023

Batterien machen bei Elektrofahrzeugen nicht nur 40 Prozent der Wertschöpfung aus, von ihnen hängt häufig auch die Kaufentscheidung ab. Deshalb investieren die 37 größten Automobilkonzerne weltweit bis 2030 insgesamt 589 Milliarden Euro in die Entwicklung von Batterien und den Aufbau von Produktionsstätten. Ihre Kapazität soll die 2022 weltweit produzierte Kapazität von Lithium-Ionen-Batterien um das Fünffache übersteigen. Diese Batterien werden mit Produkten asiatischer Hersteller konkurrieren, die einen Erfahrungsvorsprung von etwa fünf bis zehn Jahren haben. Können europäische Hersteller diesen Wettbewerb gewinnen?

Flexible, daten-getriebene Produktionsprozesse werden das Rennen entscheiden

Circa 80 Prozent der Kosten einer Batteriezelle sind mehr oder weniger unveränderbare Materialkosten. Dementsprechend ist die Produktion mit einem Kostenanteil von 20 Prozent der Teil der Gleichung, in dem sich Wettbewerbsvorteile durch effiziente, digitale und intelligente Verfahren generieren lassen.

Deutschland ist Vorreiter im Bereich Digitalisierung der Produktion. Beim Aufbau neuer Fabriken können Automobilhersteller moderne IT-Architekturen wie die Manufacturing Operations Platform nutzen, deren Prinzipien ich in einem früheren Blogbeitrag umrissen habe. Damit können sie den Ausschuss schnell reduzieren, sich permanent an neue Anforderungen anpassen und den Energiebedarf senken. Darüber hinaus werden in Europa Innovationen entwickelt, die Herstellern einen deutlichen Vorteil gegenüber asiatischen Anbietern verschaffen könnten. Erst kürzlich wurde beispielsweise ein neues Verfahren für das Dry-Coating von Batteriezellen vorgestellt, das rund 30 Prozent Energie, 15 Prozent Fabrikfläche und Fertigungskosten in Millionenhöhe einsparen soll.

Es mangelt an Erfahrung, modernen Maschinen und schlanken Entscheidungsprozessen

Allerdings haben Automobilhersteller so gut wie keine Erfahrung mit Fertigungsprozessen der Prozessindustrie, denn sie selbst produzieren seit Jahrzehnten Komponenten und montieren diese in Fahrzeuge. Dementsprechend schwerer wird es ihnen fallen, die Batteriezellproduktion aufzubauen und später zu optimieren und zu skalieren.

Darüber hinaus sind sie auf asiatische Maschinenhersteller angewiesen, da die Zulieferindustrie in Europa noch nicht besonders ausgereift ist. Anlagen aus Asien bieten in der Regel aber wenig Möglichkeiten für die Einbindung in digitale Plattformen und erschweren so die daten-getriebene Optimierung von Prozessen. Sie ist unerlässlich, um die Produktionskosten schnell zu senken und sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.

Aber auch die Entscheidungsprozesse von Automobilkonzernen für die Auswahl von Lieferanten und Lösungen sind für die Batteriezellproduktion wenig geeignet: Die mehrstufigen Verfahren dauern häufig ein Jahr oder länger, involvieren sehr viele Entscheider und dienen dazu, zu einer Lösung zu kommen, die nicht nur gut ist, sondern hervorragend. Der Markt für Batteriezellen ist aber deutlich dynamischer, als der Automarkt. Technische Innovationen können Produktionsansätze für Batteriezellen innerhalb eines Jahres auf den Kopf stellen. Deshalb müssen Entscheidungen schnell getroffen werden. Gute Lösungen reichen, um mit einem Projekt zu beginnen, für langwierige Optimierungen ist später noch Zeit.

Drei Faktoren für den Erfolg

Aufgrund der starken Dynamik und der vielen Unwägbarkeiten sollten sich Hersteller von Batteriezellen erst einmal auf die Faktoren konzentrieren, die sie beeinflussen können. Außerdem sollten sie eine leistungs- und anpassungsfähige Organisation aufbauen. Aus meiner Sicht wäre die Umsetzung der folgenden Maßnahmen derzeit am wichtigsten für den Erfolg:  

Dynamik deutlich erhöhen: Entscheidungsprozesse und interne Strukturen müssen schlanker werden. Darüber hinaus braucht das Management mehr Freiraum, um schnell Entscheidungen treffen und sie später auch anpassen zu können.

Fokus, Fokus, Fokus: Unternehmen sollten sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren! Das klingt so einfach, scheint im Moment aber sehr schwer zu sein. Ich beobachte, dass derzeit viel Kapazität gebunden wird, um Entscheidungen in nicht-differenzierenden Bereichen zu treffen. Anstatt dessen sollten Ressourcen auf die Entwicklung des Produkts und des Prozess-Know-hows konzentriert und nicht-differenzierende Leistungen ausgelagert werden.

Partner gewinnen: Der Aufbau einer Produktion in einem Bereich, in dem das Unternehmen keine Erfahrung hat, ist zu komplex, als dass man das alleine tun sollte. Gleichzeitig ist die Batteriezellproduktion zu wichtig für die Zukunft des Unternehmens, um zu scheitern. Deshalb sollten Hersteller alles daran setzen, Partner mit komplementären Fähigkeiten zu finden und ein Modell für eine gewinnbringende Zusammenarbeit zu entwickeln.

Der Geschäftsbereich Batteriezellfertigung ist für europäische Hersteller zwar neu, dennoch gibt es schon etablierte Konkurrenten. Das hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Zu letzteren gehört die größere Erfahrung und das Know-how der Wettbewerber, europäische Hersteller haben aber den Vorteil, dass sie neue Fabriken aufbauen können, die mit einem höheren Digitalisierungsgrad und modernen Verfahren punkten. Um diese Vorteile zu nutzen, müssen sie allerdings schnell handeln, Organisations- und Entscheidungsstrukturen verändern und sich auf das Wesentliche konzentrieren.

Besuchen Sie uns auf der IAA Mobility vom 5. bis 8. September in München in Halle B2, Stand #B30. Dort stellen wir unsere Leistungen für den erfolgreichen Aufbau von Gigafactories vor. Unser Manufacturing-Operations-Platform-Ansatz bündelt alle Digitalisierungslösungen und Services für die Konzeption, das Design, die Implementierung und den Betrieb einer Gigafactory in einem Angebot. Anhand der Anforderungen unserer Kunden wählen wir die geeigneten Infrastruktur-, Daten- und Applikationsplattformen aus und implementieren und betreiben sie. Durch diese Komplettlösung können sich unsere Kunden auf die Innovation ihrer Prozesse konzentrieren, anstatt sich in der langwierigen Auswahl von Einzellösungen und deren Orchestrierung zu einer Gesamtlösung zu verlieren. Darüber hinaus können wir durch Industrialisierungs- und Synergieeffekte die Total Cost of Ownership signifikant reduzieren. Wenn Sie sich in der Zwischenzeit über diese Lösung informieren möchten, finden Sie unter https://www.capgemini.com/de-de/services/intelligent-industry/manufacturing-operations-platform/ Wissenswertes zum Thema. Alternativ können Sie mich gerne kontaktieren.

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Autor

Michael Müller

Head of Sustainability & Climate Tech | Capgemini Engineering, Germany
Als Head of Sustainability & Climate Tech verfügt Michael Müller über umfassende Erfahrung und Fachwissen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Klima- und Umwelttechnologien sowie digitale Transformation. Er ist davon überzeugt, dass die richtige Digitalisierungsstrategie nicht nur die Fertigung optimieren, sondern auch wesentlich zur Verbesserung der Nachhaltigkeit beitragen kann.

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