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Die Zukunft der Produktion gestalten: Die Verknüpfung von Lean und Green als Schlüssel zur Nachhaltigkeit in der Produktion

Dr. Christopher Schmidt
04.09.2024
capgemini-invent

Herausforderungen und Chancen im Überblick

Die von Kunden und Kapitalmarkt geforderte Umsetzung einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie sowie die kommende Berichtspflicht gemäß CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) trifft in vielen produzierenden Unternehmen auf Widerstand, weil die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele mit erhöhten Investitionen assoziiert wird. Richtig umgesetzt bieten sich jedoch große Potenziale, gleichzeitig Emissionen zu senken und Kosten dauerhaft zu reduzieren.

Der Schlüssel liegt in der konsequenten Erweiterung der klassischen Lean-Prinzipien um die verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Basis ist Datentransparenz sowie die systematische Reduktion des Energie-, Material- und Verbrauchsstoffbedarfs. Prozesse werden angepasst, um energieeffizienter und ressourcenschonender zu laufen. Ein weiterer Hebel ist die Abstimmung von Produktentwicklung und Produktion, sodass umweltverträgliche Materialien zum Einsatz kommen, die gleichzeitig eine kosteneffiziente Fertigung ermöglichen.

Lean & Green Transparenz in der Fabrik

Für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie sind klare Ziele und messbare Verbesserungen unerlässlich. Hierbei spielt Datentransparenz eine zentrale Rolle. Viele produzierende Unternehmen kämpfen mit unzureichender Transparenz bei Kennzahlen wie Energieverbrauch und Emissionen. Daher muss die Fabrik als Gesamtsystem analysiert werden, einschließlich Produktion, Gebäude und eigener Energieerzeugung. Ziel ist es, eine übergeordnete Transparenz auf Werksebene zu schaffen, um gezielte Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln.

Im nächsten Schritt geht es von der Werksebene auf die Wertströme innerhalb der Produktion.  Durch die gezielte Integration von Nachhaltigkeits-Kennzahlen wie Energiebedarf und Abfallaufkommen in die klassische Wertstromanalyse entsteht eine ganzheitliche Ist-Aufnahme entlang der internen Wertschöpfungskette. Damit können Quick-Wins realisiert werden und mittel- bis langfristige Maßnahmen zielgerichtet abgeleitet werden. Prozessketten werden zukünftig nicht mehr nur nach klassischen Lean-Prinzipien ausgelegt, sondern Energie-, Material- und Emissionsoptimierung werden in die Produktionsplanung und -steuerung mit aufgenommen. Dadurch wird Nachhaltigkeit vom bloßen Kostenfaktor zur Chance für Kosteneffizienz.

Hinzu kommt, dass mit einer individuell abgestimmten Messstrategie die Datenqualität verbessert und datenbasierte Planung und Steuerung auf das nächste Level gehoben werden können. Beispielsweise ermöglicht die Installation von Smart-Sensoren an Verbrauchshotspots eine schnelle und gezielte Reaktion auf Schwankungen im Energieverbrauch, bspw. um kostenrelevante Lastspitzen zu vermeiden. Zudem erleichtert die Erfassung von Primärdaten die Einhaltung der CSRD-Vorgaben und liefert eine fundierte Basis für die geforderte Berichterstattung.

Mit Erhöhung der Datengranularität wächst auch der mögliche Nutzen. Durch den Aufbau einer Analytics Platform und eines Digital Twin kann eine präzise und effiziente Überwachung sowie Optimierung der Produktionsprozesse in Echtzeit im Hinblick auf Kosten und Nachhaltigkeit ermöglicht werden.

Dekarbonisierung von Produktionswerken

Die CSRD fordert nicht nur die Berichterstattung des Ist-Zustands, sondern auch die Festlegung von Zielen und Strategien für die langfristige Dekarbonisierung. Der Haupthebel der Dekarbonisierung liegt in der Energieversorgung der Gebäude und Produktionsstätten. Nach der Verbrauchsoptimierung kann die Versorgung mit erneuerbaren Energien strategisch geplant werden. Neben dem Bezug grüner Energie über PPAs (Power Purchasing Agreements) spielt die Eigenerzeugung eine wichtige Rolle.

Dekarbonisierungsmaßnahmen können zunächst Investitionen oder kurzfristige Kosten verursachen, bieten jedoch langfristig erhebliche Vorteile. Sie führen nicht nur zu dauerhaften Kosteneinsparungen durch den reduzierten Energiebedarf, sondern auch zu einer steigenden Kostenresilienz gegenüber marktgetriebenen Energiepreisen und Emissionszertifikaten. Darüber hinaus wird Nachhaltigkeit zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor für Kunden und Mitarbeiter und bietet somit eine wichtige Chance für Unternehmen.

Nachhaltigkeit in der Verzahnung von Produktentwicklung und Produktion

Neben der Optimierung bestehender Produktionsprozesse bietet die Produktentwicklung einen wesentlichen Hebel für kosteneffiziente Fertigung. Hier werden Aspekte wie Materialauswahl und Fertigungsprozesskette festgelegt, der Fokus liegt klassischerweise auf der Anpassung der Produkte an die zur Verfügung stehenden Fertigungsstrukturen. Das vorrangige Ziel war bisher eine hohe Anlagenauslastung und ein möglichst geringer technischer Anpassungsbedarf.

Durch die CSRD und das Lieferkettengesetz müssen nun auch die Vorketten der Materialien sowie Emissionen aus der Nutzungsphase und dem End-of-Life des Produkts berücksichtigt werden, welche somit zum Optimierungskriterium werden. Dies eröffnet für Unternehmen die Chance, in der Produktentwicklung ein ganzheitliches Optimum bzgl. Kosten und Umweltwirkungen zu erreichen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination von klassischer Wirtschaftlichkeitsrechnung und begleitender Ökobilanzierung. So können in allen Phasen der Produktentwicklung fundierte Design-Entscheidungen getroffen werden, die eine einseitige Optimierung auf bestimmte Produktlebenszyklus-Phasen und damit verbundene Problemverschiebung in die übrigen Phasen vermeiden. Dadurch lassen sich Zielkonflikte zwischen Euro und CO2 über den gesamten Lebenszyklus hinweg quantifizieren und ausbalancieren.

Vielen Dank an meine Co-Autorin Alisa Gänsler.

Unser Experte

Dr. Christopher Schmidt

Senior Manager | Smart Plant Strategy, Transformation & Green Manufacturing, Capgemini Invent Germany
Seit über 10 Jahren begleite ich Kunden aus verschiedensten Branchen bei der Transformation und Optimierung ihrer Produktion. Hierbei steht der ganzheitliche Ansatz im Fokus, der nicht nur die Fertigungsprozesse selbst sondern die Fabrik als dynamisches Gesamtsystem berücksichtigt und Potentiale aus einer engen Abstimmung zwischen Produktentwicklung und Produktion hebt.

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