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Vereinbarkeit von Digitalisierung und Klimaschutz – Die Bedeutung von Green-IT-Strategien für die öffentliche Verwaltung 

Dr. Helge Maas
30. Mai 2023
capgemini-invent

Die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit stellen Behörden aufgrund ihrer bereichsübergreifenden Bedeutung und hohen Komplexität vor große Herausforderungen. Wurden die Themen bis vor einigen Jahren noch separat voneinander betrachtet, ist es mittlerweile Konsens, dass sie gemeinsam angegangen werden sollten.

Steigender Energieverbrauch der IT 

Im letzten Jahrzehnt hat die Digitalisierung nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in den Bundes- und Landesbehörden rasant an Fahrt aufgenommen. So wurde mit der verabschiedeten Digitalstrategie für Deutschland „…eine konkrete Zukunftsvision mit greif- und messbaren Zielen für den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Transformationsprozess…“ verabschiedet (vgl. Bundesminister Dr. Volker Wissing)1. Dies zeigt den politischen Willen, den Digitalisierungsgrad in Deutschland weiter zu steigern. Durch die fortschreitende Digitalisierung wird sich die Arbeitsweise in den Behörden grundlegend weiterentwickeln. Gleichzeitig wird auch die Anzahl an Endgeräte und damit der Strombedarf der IT weiter steigen (vgl. Abbildung 1). Die Behörden stehen vor dem Zielkonflikt, einerseits die Digitalisierung voranzutreiben und andererseits die ambitionierten Klimaschutzziele einzuhalten. 

Je nach Aufgabenbereich der Behörde und dem Umfang der benötigten Rechenkapazität kann der Anteil des IT-Stromverbrauchs am Gesamtstromverbrauch zwischen 20 – 80 % liegen – in der Regel liegt er bei ca. 25 % mit steigender Tendenz.  

Entwicklung einer datenbasierten Green-IT-Strategie 

Die Erarbeitung einer Green-IT-Strategie stellt die Königsdisziplin dar. Sie vereint die beiden komplexen bereichsübergreifenden Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit in einer ganzheitlichen Strategie. Die Entwicklung einer umsetzungsorientierten Green-IT-Strategie inklusive Maßnahmenplan erfordert, dass zunächst eine fundierte Entscheidungsgrundlage erarbeitet wird. Hierfür ist es essenziell, die Ausgangssituation in der Behörde zu erfassen. Dazu gehört neben der Erfassung der Anzahl und Art der vorhandenen IT-Komponenten und deren Energieverbräuche auch die Aufnahme bestehender Richtlinien und Vorgaben, z. B. zur Beschaffung. Die während der Bestandsaufnahme gewonnenen Informationen bilden die Grundlage für den weiteren Prozess. Nur wenn die Ausgangslage bekannt ist, können Maßnahmen identifiziert und zielgerichtet umgesetzt werden. Im Vordergrund stehen hierbei datenbasierte Entscheidungen. 

Darüber hinaus muss das verfolgte Ziel klar definiert sein – am besten orientiert an der SMART-Methode (spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch, terminiert). Die klare Zielsetzung und die erfasste Ausgangssituation legen die zentralen Parameter für die zielgerichtete Entwicklung der Green-IT-Strategie fest. Bei der Entwicklung der Strategie hat sich in der Praxis ein dreistufiger Prozess bewährt: 

  1. Bestandsaufnahme (inklusive Stromverbrauchsmessungen), 
  1. Maßnahmenentwicklung, 
  1. Erstellung der Green-IT-Strategie. 

Zuerst wird im Rahmen der Bestandsaufnahme festgelegt, welche Liegenschaften und IT-Komponenten in die Betrachtung einfließen sollen. Um ein besseres Verständnis über die Ausgangslage und die Herausforderungen zu erhalten, sollten Interviews mit den wesentlichen Stakeholdern, wie beispielsweise mit Mitgliedern der öffentlichen Verwaltung, dem IT-Dienstleister und dem lokalen Gebäudemanagement geführt werden. Eine unzureichende Datengrundlage bezüglich der Anzahl von Geräten oder des Energieverbrauchs stellt eine typische Herausforderung dar. Hochrechnungen zum Ausgleich bestehender Datenlücken sind mit Bedacht vorzunehmen, da sich je nach Aufgabenteilung die IT-Ausstattung und Nutzung deutlich unterscheiden kann. Ziel der Bestandsaufnahmen ist es, so viele Informationen über die IT in der Behörde zu erhalten, dass eine solide Entscheidungsgrundlage zur Ableitung von Green-IT-Maßnahmen vorliegt. In der Regel liegen in den betrachteten Behörden keine verifizierten Informationen zum Stromverbrauch der IT vor. Daher sind Stromverbrauchsmessungen in Erwägung zu ziehen. Zum Erreichen eines vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnisses sollte ein Messkonzept erstellt werden, in dem eine repräsentative Auswahl geeigneter Messstellen festgelegt wird.  

Anhand der erhobenen Daten und der Messergebnisse werden zielgerichtet Maßnahmen entwickelt. Für jede relevante Maßnahme sollte ein Maßnahmensteckbrief und eine systematische Umsetzungsplanung erstellt werden. Dieser stellt vermiedene Treibhausgase, die Komplexität der Maßnahmenumsetzung sowie die finanzielle und energetische Bewertung der Maßnahme anhand definierter Kennzahlen (KPIs) dar. Mithilfe der KPIs werden die Maßnahmen priorisiert. Im Rahmen der Maßnahmenentwicklung sollten auch Scope 3-Emissionen mitgedacht werden, um Verlagerungseffekte zu vermeiden. Es zeigt sich bspw. bei einem Laptop, dass ein Großteil der Emissionen im Rahmen der Herstellung entstehen und nicht in der Nutzung.  

Die Ergebnisse fließen in die Green-IT-Strategie ein. Hierbei bildet der Umsetzungsplan das Herzstück der Strategie. Darüber hinaus empfiehlt es sich einen konitnuierlichen Monitoring- und Controllingsprozess aufzusetzen, um eine Evaluation der Wirkung der umgesetzten Maßnmahmen zu ermöglichen.  

Um Klimaneutralität in den Behörden nachhaltig zu erreichen, sollte bei der Maßnahmenumsetzung die folgende Reihenfolge berücksichtigt werden: 

  1. Senkung des Energiebedarfs durch Bedarfsreduzierung, 
  1. Steigerung der Energieeffizienz und 
  1. Einsatz erneuerbarer Energien. 
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Entwicklung der aus dem Strombedarf resultierenden CO2-Emissionen infolge einer steigenden Digitalisierung 

Es geht sowohl um die Bedarfsreduzierung als auch die Steigerung der Energieeffizienz. Der verbliebene Strombedarf ist abschließend durch erneuerbare Energien zu decken, womit eine klimaneutrale IT gewährleistet ist. Jeder Schritt spielt eine wichtige Rolle bei dem Erreichen der Klimaziele und muss bei der Entwicklung einer Green-IT-Strategie berücksichtig werden. Nur mit einem ganzheitlichen Vorgehen kann eine Reduktion des IT-bedingten Strombedarfs nachhaltig erreicht werden.  

Neben der Klimaneutralität bietet die Entwicklung einer Green-IT-Strategie noch weitere Vorteile. So wird die Attraktivität als Arbeitgeber gesteigert und eine gesellschaftliche Vorbildfunktion eingenommen. Zudem sind in Zeiten der Energiekrise mit hohen Energiekosten auch finanzielle Aspekte nicht zu vernachlässigen. Gleichzeitig wird die Unabhängigkeit von zukünftigen Preisänderungen gesteigert. 

Fazit 

Die fortschreitende Digitalisierung führt nicht nur zu einer Transformation der Arbeitsweise in den Behörden, sondern zieht auch einen erhöhten Strombedarf nach sich. Der Ansatz zur Entwicklung einer Green-IT-Strategie verdeutlicht, dass eine steigende Digitalisierung und eine Verringerung des Stromverbrauchs miteinander vereinbar sind. Die Behörden haben als öffentliche Instanz eine Vorreiterrolle. Damit die Klimaziele erreicht werden, ist ein schnelles, zielgerichtetes und strukturiertes Vorgehen unabdingbar. 

Autoren & Co-Autoren: Dr. Helge Maas, Henning Meyer, Lukas Heinzer & Antonia Pohlmann

Autoren

Dr. Helge Maas

Director | Sustainability Lead Public Sector Germany, Capgemini Invent Germany
Helge Maas ist Sustainability Lead für den Public Sector bei Capgemini in Deutschland und berät die öffentliche Hand seit über 14 Jahren zu den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Er unterstützt Kommunen, Behörden und Ministerien dabei, ihre ambitionierten Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsziele zu erreichen sowie gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Hierzu gehört unter anderem die Durchführung von Bestandsaufnahmen, die partizipative Erstellung von Maßnahmenplänen sowie die Schaffung nachhaltig tragfähiger Strukturen. In seinen Projekten arbeitet er getreu dem Motto „Global denken, lokal handeln“.

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